Rettungsdienstgebühren: Oberhavel versendet vorerst keine Bescheide
Debatte mit Krankenkassen um Pauschalbeträge noch nicht beendet / Landkreis setzt auf Einigung mit den Krankenkassen
Mehrere hundert Euro für einen Notruf in Oberhavel? Bei Patientinnen und Patienten führte dieses in der Öffentlichkeit diskutierte Szenario in den vergangenen Tagen zu erheblicher Verunsicherung. Doch wie real ist das wirklich? Katja Hermann, Dezernentin für Service, Mobilität und Sicherheit, klärt auf:
„Ruft man in Oberhavel den Rettungsdienst, dann übernimmt die Krankenkasse die Kosten. So war es seit vielen Jahren“, erklärt Katja Hermann. „Der Landkreis, der Träger des Rettungsdienstes ist, kalkuliert seine Ausgaben regelmäßig neu. Je nachdem, wie viele Einsätze, wie viele Fahrzeuge und wie viel Personal im Einsatz sind, aber auch ob und zu welchen Kosten neue Rettungswachen gebaut werden, berechnen sich die Gebühren. Doch die Kassen zweifeln diese detaillierten Kalkulationen der Landkreise seit mehreren Jahren an. Dabei unterstellen sie den Kreisen, diese würden unwirtschaftlich kalkulieren.“
Deshalb haben die Krankenkassen jetzt festgelegt, den Landkreisen rückwirkend zum 1. Januar nur noch sogenannte Festbeträge für die Leistungen des Rettungsdienstes zu erstatten. Die Festbeträge liegen allerdings deutlich unter den tatsächlichen Kosten. „Das können und wollen wir als Kreis keinesfalls akzeptieren“, betont Hermann. „Denn das wären im Jahr 2025 für Oberhavel immerhin rund fünf Millionen Euro.“
Um ihr Defizit auszugleichen, haben erste Brandenburger Landkreise jetzt damit begonnen, die Fehlbeträge per Bescheid von den Patientinnen und Patienten zurückzufordern. Diese könnten dann rechtlich gegen die Krankenkassen vorgehen. „In Oberhavel haben wir bisher keinen einzigen Gebührenbescheid an gesetzlich versicherte Patientinnen und Patienten versandt. Das möchten wir auch mit allen Mitteln verhindern. Doch irgendwann müssen wir reagieren und uns fragen, ob wir uns das Millionendefizit leisten können oder ob wir die Bürgerinnen und Bürger an den Kosten beteiligen müssen.“ Dabei werde der Kreis auch die Kommunalpolitik mit einbeziehen. „Bis dahin setzen wir alles daran, dass es in Oberhavel nicht so weit kommt“, stellt Dezernentin Katja Hermann klar. „Wir kämpfen gemeinsam mit weiteren sieben Brandenburger Landkreisen und dem Landkreistag um eine einvernehmliche Lösung mit dem Verband der Ersatzkassen!“ Neben Oberhavel sind die Landkreise Potsdam-Mittelmark, Barnim, Märkisch-Oderland, Oberspreewald-Lausitz, Spree-Neiße, Teltow-Fläming und Uckermark betroffen.
Was kostet der Rettungsdienst in Oberhavel?
In die Gebührenkalkulation für den Rettungsdienst, welche die Landkreise eigenständig erstellen, fließen viele verschiedene Faktoren ein: die Kosten für Rettungswagen und deren Reinigung, für das Personal – also Rettungssanitäter und Notärzte –, aber auch Kosten für Aus- und Weiterbildung, neue Rettungswachen und für die technische und medizinische Ausstattung. Die Höhe dafür ist in den Landkreisen naturgemäß verschieden, weil auch die Voraussetzungen unterschiedlich sind. Die Krankenkassen bemängeln nun, dass die Landkreise falsch – das heißt aus ihrer Sicht: zu hoch – kalkulieren würden. Sie legen den Gebühren eine Musterkalkulation zu Grunde, an der sich die Kreise orientieren sollen. In die bisherige ‚Black Box‘ der Musterkalkulation können die Kreise Einblick nehmen, wenn sie eine Verschwiegenheitserklärung unterzeichnen. „Ein transparentes Verfahren und eine transparente Verhandlung stellen wir uns allerdings anders vor“, erklärt Katja Hermann.
In Oberhavel gelten folgende Rettungsdienstgebühren: Die Pauschale für einen Krankentransportwagen beläuft sich auf rund 225 Euro, ein Rettungswagen kostet rund 670 Euro, und ein Notarzteinsatzfahrzeug inklusive Notarzt schlägt mit rund 670 Euro zu Buche. Die Kosten in Oberhavel liegen damit unter dem Durchschnitt in Brandenburg. Die Krankenkassen wollen dem Kreis davon künftig nur noch einen Teilbetrag erstatten. Die Differenz würde also etwa 300 Euro betragen.
Katja Hermann sagt: „Wir finden, das ist nicht nachvollziehbar! Schließlich zahlen die Bürgerinnen und Bürger ihre Krankenkassenbeiträge für eine schnelle und kompetente medizinische Versorgung. Die Notrufnummer 112 zu wählen, darf im Ernstfall keinesfalls eine Frage des Geldbeutels werden! Ist das der Fall, kürzen die Kassen damit die Leistung ihrer Beitragszahlerinnen und Beitragszahler“, argumentiert Katja Hermann. Wir lassen auch weiter nichts unversucht, drohende Gebührenbescheide an Patientinnen und Patienten, wie sie in anderen Kreisen bereits versandt werden, zu vermeiden. Zugleich fordern wir die Krankenkassen auf, im Dialog zu bleiben, um eine einvernehmliche Lösung zu finden.“
Stand jetzt müssten etwa 1.700 Menschen in Oberhavel für die Differenz der Rettungsdienstgebühren aufkommen. Anders als dargestellt, geht es nicht nur um sogenannte Fehl- oder Leerfahrten. Vielmehr wären alle Personen betroffen, die Leistungen des Rettungsdienstes nutzen. Im vergangenen Jahr war das in Oberhavel mehr als 37.000 Mal der Fall. „Wir setzen uns mit aller Kraft dafür ein, um das zu verhindern!“, betont Katja Hermann.
Wir haben für Sie die wichtigsten Fragen und Antworten zur aktuellen Debatte um die Rettungsdienstgebühren zusammengefasst.