Krankenhausreform: Entscheidung soll am 9. April fallen
Landrat nimmt Stellung zum Hennigsdorfer Anwaltsschreiben / Fördermittel aus dem Transformationsfonds können in drei Monaten beantragt werden / Sonderkreistag tagt in Oranienburg
Beim Bürgerdialog im Lichthof des Eduard-Maurer-Oberstufenzentrums hatten sich am Montagabend, 24.03.2025, Landrat Alexander Tönnies und Dr. med. Detlef Troppens, Geschäftsführer der Oberhavel Kliniken, den Fragen der Hennigsdorferinnen und Hennigsdorfern gestellt. Im Nachgang des Bürgerdialogs – und dort mit keinem Wort erwähnt – meldete sich am Dienstag die Stadt Hennigsdorf zu Wort. Sie hatte kurzfristig eine Anwaltskanzlei mit Sitz in Essen beauftragt, die bemängelt, dass „noch wesentliche Zwischenschritte zur inhaltlichen und finanzrechtlichen Umsetzung der Krankenhausreform ausstehen“ würden.
Dazu erklärt Landrat Alexander Tönnies: „Die im Anwaltsschreiben genannten Ergebnisse sind schon jetzt überholt. Die Koalitionspartner in Berlin haben sich gestern darauf geeinigt, dass die Krankenhausreform der letzten Legislaturperiode fortgeführt und bis zum Sommer gesetzlich geregelt wird. Daran ändern auch einzelne noch ausstehende Rechtsverordnungen nichts. Die Vorgaben des Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes (KHVVG), die in dem von Hennigsdorf vorgelegten Papier außen vor bleiben, sind eindeutig und daran müssen wir uns halten. Auf exakt 112 Seiten gibt es ganz klare Vorgaben, was künftig auch in Oberhavel geht – und was eben nicht.“
Gesetz zur Krankenhausreform mit eindeutigen Vorgaben
So enthält das Reformgesetz bereits Festlegungen zu Leistungsgruppen und Qualitätskriterien. Diese sind in den Anlagen umfangreich benannt. Sogar im Beschlusstext selbst heißt es, dass – bis der Bundesrat konkrete Leistungsgruppen und Qualitätskriterien festlegt – die Qualitätskriterien, die im Krankenhausplan Nordrhein-Westfalen 2022 festgelegt sind, gelten. Die Grundzüge sind damit längst verankert. Genau daran hat sich auch die vom Aufsichtsrat der Kliniken vorgelegte, öffentlich einsehbare Analyse, die Experten des Instituts IGES erstellt haben, zur zukünftigen Krankenhausstruktur im Landkreis Oberhavel orientiert.
Über das Reformgesetz hinaus hat der Bundesrat am letzten Freitag, 21.03.2025, auch die Krankenhaustransformationsfonds-Verordnung (KHTFV) beschlossen. Sie regelt, dass und wie Krankenhäuser bei Umstrukturierungen finanziell unterstützt werden. Die Fördermittel in dem eigens zu diesem Zweck eingerichteten Transformationsfonds belaufen sich über einen Zeitraum von zehn Jahren auf bis zu 50 Milliarden Euro und werden zur Hälfte von den Ländern und zur Hälfte aus Mitteln der gesetzlichen Krankenversicherung aufgebracht. Die vom Bundesrat bestätigte Verordnung legt die Voraussetzungen für die Förderung der Umstrukturierung konkret fest. So werden für alle Brandenburger Klinikstandorte zusammen genommen jährlich rund 150 Millionen Euro ausgereicht. Angesichts der allein in Oberhavel für die Umstrukturierung geschätzten Kosten von bis zu 380 Millionen Euro ist allerdings schon heute klar, dass diese Summen nicht ausreichen werden. Die Länder haben deshalb gefordert, dass sich auch der Bund an den Kosten beteiligt. „Wenn die Anwälte Hennigsdorfs jetzt schreiben, dass es nicht sicher sei, ob die Landesgelder ausgeschöpft werden, muss man sich ernsthaft fragen, wie dort gerechnet wird“, so Tönnies.
Fördermittel können in drei Monaten beantragt werden
Die von der Stadt Hennigsdorf beauftragte Kanzlei meint weiter, dass es nicht auf eine schnelle Antragstellung ankomme, um Geld aus dem Transformationsfonds zu erhalten. „Das ist nichts anders als blauäugig“, widerspricht Landrat Tönnies entschieden. „Denn auch wenn noch nicht jedes Detail steht, wird das Land das Rad nicht neu erfinden. Wir beantragen seit Jahren sehr regelmäßig Fördermittel und wissen um den konkreten Prozess. Vor allem dann, wenn es einen großen Andrang auf einzelne Fördertöpfe gibt, ist es geradezu sträflich, die Hände in den Schoß zu legen und auf einzelne Paragrafen zu warten.“
Das belegt auch die bereits Anfang März vom Brandenburger Gesundheitsministerium vorgelegte Zeitschiene zur Umsetzung der Krankenhausreform. Demnach können Mittel, die der Kreis unter anderem für den Neubau eines modernen Bettenhauses zwingend benötigt, bereits ab Juli 2025 beantragt werden. Die ersten Auszahlungen wird es ab Anfang 2026 geben. „Die Finanzmittel sind begrenzt. Land und Kassen werden bei den Auszahlungen nicht auf uns warten. Wenn wir nicht handeln, profitieren andere von den Geldern“, stellt der Landrat erneut klar. Tönnies sagt weiter: „Wir beschäftigen uns im Aufsichtsrat der Kliniken seit fast zwei Jahren damit, wie wir die Krankenhauslandschaft in unserer Region so gestalten können, dass alle Menschen in Oberhavel auch mit den Vorgaben des neuen Gesetzes weiterhin sicher medizinisch versorgt werden können. Dabei hatten verschiedene Fachleute unterschiedliche Varianten betrachtet. Diese haben wir in der vorgelegten Analyse klar dargestellt.“
Vorteile für den Standort Oranienburg überwiegen
Für den Krankenhausstandort Oranienburg sprechen viele Faktoren. So fordert das KHVVG, dass zwischen Krankenhausstandorten Mindestentfernungen von 30 beziehungsweise 40 Minuten Fahrzeit liegen. Diese Zeiten werden aufgrund der Nähe des Hennigsdorfer Krankenhauses zu fünf Berliner Krankenhäusern deutlich unterschritten. Weiterhin ist die Erreichbarkeit Oranienburgs für Oberhavels Einwohnerinnen und Einwohner günstiger: 87 Prozent der Bevölkerung erreichen das Oranienburger Krankenhaus innerhalb von maximal 30 Fahrminuten mit dem Auto. Darüber hinaus können Patientinnen und Patienten aus dem Norden Oberhavels, insbesondere bei Schlaganfall und Herzinfarkt, deutlich schneller in Oranienburg erstversorgt werden, als das bisher in Hennigsdorf der Fall ist. „Meine Aufgabe und auch die des Kreistages ist es, dabei alle etwa 217.000 Menschen in Oberhavel im Blick zu behalten“, betont Tönnies.
„Dass die Hennigsdorferinnen und Hennigsdorfer die seit mehreren Jahren vorbereitete, intensiv diskutierte und nun vom Klinik-Aufsichtsrat vorgeschlagene Zentralisierung der stationären Versorgung in Oranienburg kritisch sehen, kann ich sehr gut verstehen. Denn natürlich wünschen wir uns alle, dass die Versorgung – ob mit Post oder Banken, Ärzten oder eben einer Klinik – direkt vor unserer Haustür auch weiterhin erhalten bleibt. Allerdings sind wir gezwungen, uns der Realität zu stellen. Diese Realität ist im Falle der Oberhavel Kliniken das beschlossene Reformgesetz. Von einem Umstrukturieren ‚ins Blaue hinein‘, wie es die Hennigsdorfer Stellungnahme behauptet, kann vor dem Hintergrund des inzwischen etwa zwei Jahre dauernden Prozesses keine Rede sein!“
Entscheidung des Kreistags am 9. April
Die IGES-Experten empfehlen deshalb, die Entscheidung „angesichts der langen Vorlaufzeiten für die erforderlichen baulichen Maßnahmen einer Konzentration an einem Standort und der erwarteten vollen Wirksamkeit der Krankenhausreform mit den erweiterten Qualitätsanforderungen ab dem Jahr 2029“ zeitnah zu treffen.
Die Entscheidung über die Umsetzung der vorgestellten Pläne trifft der Kreistag in einer Sondersitzung am 09.04.2025. Die Sitzung beginnt um 16.00 Uhr im Kreistagssaal, Havelstraße 3 in Oranienburg. Bereits in der Woche zuvor kommen die zuständigen Fachausschüsse zum Thema zusammen. Alle Termine und Unterlagen sind dem Kreistagsinformationssystem unter www.oberhavel.de/Kreistagsinfosystem zu entnehmen.
Der Beschluss sieht vor, den Geschäftsführer der Oberhavel Kliniken GmbH zu ermächtigen, eine Zielplanung für die Zusammenlegung der Klinikstandorte Hennigsdorf und Oranienburg am Standort Oranienburg zu erstellen. Diese soll als Grundlage für die Beantragung von Fördermitteln aus dem Transformationsfonds dienen. „Angesichts dessen, dass die ersten Anträge dafür schon in drei Monaten gestellt werden können, ist die Zeitschiene schon jetzt sportlich“, so Tönnies.
Medizinische Versorgung in Hennigsdorf bleibt erhalten
In der aktuellen Beschlussvorlage für den Kreistag, die im Kreistagsinformationssystem Oberhavels zu finden ist, ist außerdem ganz klar formuliert, welche medizinische Versorgung in Hennigsdorf erhalten bleiben soll.
So heißt es ganz konkret: „Die Oberhavel Kliniken GmbH haben dafür Sorge zu tragen, dass nach einer Zusammenlegung der stationären Versorgung am Standort Oranienburg auch am Klinikstandort Hennigsdorf eine medizinische Grundversorgung durch ein größtmögliches Spektrum an Facharztpraxen und Tageskliniken sichergestellt bleibt. Hierzu zählt der Erhalt der Poliklinik mit ihren Facharztpraxen: Radiologie, HNO, Urologie, Innere/Kardiologie, Allgemeinmedizin/Hausarzt, Neurologie, Gynäkologie, Psychotherapie, ebenso der Erhalt der vorhandenen drei Tageskliniken für Psychiatrie, Psychosomatik und Geriatrie. Daneben werden die Psychiatrische Institutsambulanz (PIA) und die Multiple Sklerose Ambulanz erhalten.“
In dem vorgeschlagenen Beschlusstext heißt es weiter: „In Abstimmung mit der verantwortlichen Kassenärztlichen Vereinigung ist anzustreben, dieses Angebot auszubauen. Für den Erhalt der Praxen für Dialyse und Onkologie sind alle Voraussetzungen zu schaffen.“ Klar formuliert ist auch, dass die Rettungswache mit Notarzt am Hennigsdorfer Standort bestehen bleibt. Damit verschwindet die medizinische Versorgung aus Hennigsdorf nicht. Die stationäre Versorgung indes soll nach Oranienburg verlagert werden.